Der unheimliche Machtmissbrauch der Presse

Der unheimliche Machtmissbrauch der Presse

Ich weiß nicht, ob es jemals einen Kodex gab, der besagte, dass Zeitungen und Presse neutral zu sein haben. Sogar auf den Titelblättern der meisten Organe steht, dass sie parteiisch sind und sich einer politischen Strömung zuordnen lassen.
Das war schon immer bekannt und es ist nichts Neues. Aber was in den letzten Jahren passiert ist und wie sehr sich die Presse davon entfernt hat, ein Korrektiv zu sein und Wahrheit oft verfälscht für ihre eigenen Zwecke, das ist schon eine neue Qualität, die einem zu denken geben muss.


Von Serdar Somuncu
Besonders gewissenlos tun sich dabei die üblichen Verdächtigen von Bild-Zeitung bis Spiegel Magazin hervor. Aber auch die Süddeutsche, die TAZ oder die Frankfurter Allgemeine, Zeitungen, die zwar dafür bekannt waren, dass sie tendenziös sind, aber nicht dafür, dass sie in schmierenhafter Art und Weise Dinge anders darstellen als sie sind und damit Politik betreiben, stehen mittlerweile den anderen in nichts nach.
Beispielsweise im Ukrainekonflikt bezieht die Bild-Zeitung klare Position. Sie steht aufseiten der Ukraine. Ob das daran liegt, dass der stellvertretende Chefredakteur Paul Ronzheimer ein fast schon obsessives Faible für die Ukraine hat oder die Redaktion sich in irgendeiner Weise der Politik Selenskyjs verpflichtet fühlt, ist unklar. Jedenfalls versucht sie schon seit Beginn des Krieges massiv Propaganda zu machen und dies auch immer wieder durch falsche Meldungen oder offensichtliche Lügen. So stand die ukrainische Offensive schon mehrfach bevor und der Krieg war auch schon fast gewonnen, bis es nicht mehr zu verbergen war, dass die Ukraine in diesem Konflikt hoffnungslos unterlegen ist und nur massive Waffenförderung, die gleichzeitig eine Eskalation des Konfliktes bedeuten würden, die Ukraine zu einem Sieg verhelfen könnten. Also steuerte die Bild-Zeitung um und forderte Waffenlieferungen, die immer absurder wurden, und begründete diese Forderungen mit zum Teil lächerlichen Überschriften, wie zum Beispiel ,,Diese Panzer retten Leben".

Auch in der Corona-Zeit spielte die Bild-Zeitung eine sehr fragwürdige Rolle. Traten die Verantwortlichen, allem voran der damalige Chefredakteur und Rechtsausleger Julian Reichelt, der heute beharrlich leugnet, jemals für die im Impfpflicht gewesen zu sein, anfangs noch für die Maßnahmen der Regierung ein, so wandelte sich spätestens nachdem klar war, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung gegen die Coronamaßnahmen der Regierung war, auch die Einstellung der Bild und sie stand plötzlich auf der Seite der Protestierenden. Diese erstaunliche Opportunität ist nicht ein spezifisches Merkmal der Bild-Zeitung allein auch andere Magazine, wie zum Beispiel der Spiegel, betreiben diese unseriöse Art des Journalismus schon seit längerem.
Im Konflikt um Israel und Gaza zum Beispiel bieten sich viele Organe einen Wettbewerb darum, darum wechselweise auf der Seite Israels zu stehen oder die Palästinenser zu unterstützen. Der Grund dafür liegt darin, dass Magazine und Zeitungen heute ihre Inhalte nicht mehr nach Glaubwürdigkeit und Nachweisbarkeit ausrichten, sondern nur noch auf Klick und Abonnentenzahlen Wert legen. Und darin haben sie sich mittlerweile spezialisiert darauf, auch Themen so zu wechseln, dass garantiert bleibt, dass genug Interesse daran besteht und die Leser ein Abo abschließen oder für die Inhalte, die sie beziehen wollen, bezahlen.

Die berühmten Clickbaits von immer neuen Corona-Varianten, die uns bedrohen oder Waffenlieferungen, die Frieden bringen sollen, oder terroristischen Anschlägen, die als Grund für Israelkritik herhalten sollen, sind zwar mittlerweile durchschaubar und spätestens dann, wenn man ein Abo abgeschlossen hat, nachlesbar, aber sie funktionieren nach wie vor hervorragend. Denn die meisten Menschen haben noch nicht begriffen, dass wir in einem Zeitalter der Verfälschung leben, in dem nicht wirklich nachweisbar und nachvollziehbar ist, wer wann welche Meldung warum verbreitet. Hinzukommt, dass auch durch künstliche Intelligenz nicht mehr klar ist, ob die Bilder, die man sieht, echt sind. Die Leichentransporte von Bergamo oder prügelnde Asylbewerber auf den Straßen, genauso wie Bilder von Kriegsgebieten oder sonstigen Ereignissen können mittlerweile auch gefälscht werden und bleiben aber trotzdem im Umlauf, sodass sie sich bei ausreichender Weiterverbreitung zu einer Wahrheit entwickeln, an welche die meisten Menschen glauben, weil sie es nicht erwarten, dass man mit ihrem Vertrauen so dreist umgeht.
Man muss schlicht und einfach konstatieren, dass sich die Zeiten geändert haben und dass die Macht der Medien größer geworden ist durch das Internet und Social Media.

Auch die höhere Frequenz der Nachrichten trägt dazu bei, dass wir immer weniger unterscheiden können zwischen dem, was wir eigentlich wirklich brauchen, um uns ein Bild von der Lage zu machen und dem, was man uns gibt, um das Bild zu übernehmen, was andere in uns erzeugen wollen. Das macht vieles komplizierter. Denn eine Gesellschaft, die nicht weiß, ob die Informationen, die sie bezieht, aus zweckorientierten Quellen kommt, ist eine höchst orientierungslose Gesellschaft, mit der man im Zweifelsfall machen kann, was man will. Die Manipulation ist also tatsächlich im Moment ein Geschick derer, welche die größte Reichweite haben. Und sie nutzen diese Fähigkeit bis zur Lächerlichkeit. Wenn zum Beispiel die Bild-Zeitung noch vor wenigen Wochen davor warnt, dass wir einen brutal heißen Jahrhundert Sommer haben werden, schreiben andere Magazine wiederum, dass die Eiszeit zurückkehren könnte. Wo positioniert man sich also in diesem Geflecht aus Halbwahrheiten, Lügen und diffusen Kolportagen?
Das ist sicher eine Frage, die heute schwieriger zu beantworten ist als je zuvor. Konnte man früher in der umfangreichen Differenzierung und Kenntnis der angebotenen Nachrichten feststellen, wie sich aus dem Quotienten des Durchschnitts etwas wie eine Wahrheit destillierte, so kommt heute hinzu, dass viele Redaktionen auch voneinander abschreiben und die Quellen, die sie benötigen, selbst schon verfälscht sind. Viele erdreisten sich, ihre Informationen aus Sekundärquellen wie zum Beispiel Instagram oder Twitter zu beziehen und diese schlicht und einfach nur zu zitieren. Dass das keinem journalistischen Standard entspricht und keiner wirklichen Revision standhält, muss nicht erklärt werden. Und dennoch wird es selten hinterfragt. Unser Konsumverhalten ist so unmittelbar geworden, dass wir selten überprüfen und schneller wahrnehmen, als wir urteilen können.
Und trotzdem entstehen daraus Kampagnen, die zu Anklagen führen und Prozesse, bei denen am Ende noch nicht einmal interessiert, wie das Ganze ausgegangen ist, sondern eigentlich nur der Weg dorthin von Belang ist. Extreme Fälle wie die des Comedians Luke Mockridge oder der Band Rammstein haben gezeigt, wie schnell eine Dynamik entstehen kann, in der persönliche Wahrnehmung, fehlgeleitete Einschätzung und voreilige Rückschlüsse dazu führen, dass so ein exponentielles Interesse entsteht, welches den Nutznießern in dieser Entwicklung schlagartig Klick und Abonnentenzahlen beschert. Durch die Befeuerung weiterer Meldungen und die Aufrechterhaltung von Kampagnen bleibt so das Interesse bestehen und führt dazu, dass wochenlang über Dinge berichtet wird, die im Grunde genommen nicht geklärt werden können. Denn am Ende bleibt das Urteil über Schuld und Unschuld den Gerichten überlassen und nicht den Zeugen.

Dass die Presse in diesem Fall eine sehr unrühmliche Rolle spielt und dazu beiträgt, dass unsere Urteilsfähigkeit immer abhängiger wird von den Indizien, die wir aus den Quellen von Lobbyisten und Interessengemeinschaften beziehen, ist eine fatale Entwicklung, deren Ausmaß wir im Augenblick nicht absehen können. Sie führt jedenfalls langfristig dazu, dass Meinungen an Wert verlieren, solange sie künstlich generiert sind und Haltungen kaum an Konsistenz gewinnen, wenn sie permanent in der Gemeinschaft von Gleichdenkenden reproduziert werden.
Ein Wesen des Kapitalismus ist die Verführung des Individuums zum Konsum. Der Einzelne soll denken, dass er besonders ist. Und so verleitet man ihn dazu, sich das zu besorgen, was seine Besonderheit schmückt. Halbwissen ist zum leidlichen Accessoire geworden, und der Glaube an empörende Behauptungen zu einer Monstranz, die man vor sich trägt, um zu zeigen, dass man den richtigen Götzen folgt. Dabei ist das Wissen, das man besitzt, um fundiert zu glauben, mittlerweile nur eine Kette von oberflächlicher Wahrnehmung.

Am Ende steht, dass derjenige, der uns glauben machen will, ohne dass wir genug wissen, dazu verführen will, das zu tun, was er von uns verlangt. Wir sollen seine Zeitung lesen oder seine Magazine kaufen. Wir sollen eine temporäre Wahrheit annehmen. Und solange unser Interesse und unsere Neugier befriedigt wird, ist es uns egal, ob das, was wir dort lesen, wahr oder falsch ist. Wir ergeben uns der Lüge, weil sie unsere Triebe befriedigt und unsere Aufmerksamkeit sättigt. Aber in Wirklichkeit kapitulieren wir auch vor der Undurchsichtigkeit einer Industrie, die es auf nichts anderes abgesehen hat als auf unser Urteilsvermögen, welches auf diese Weise Kaufkraft generiert.

18.03.24
©Serdar Somuncu
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*Serdar Somuncu ist Schauspieler und Regisseur
Kommentare
  • Juergen
    19.03.2024 11:06
    Ich möchte zu Manuels Beitrag (19.03.2024 05:51) etwas entgegnen, der Beitrag lautete:

    "Der Mensch lernt einfach nicht aus der Geschichte. Wenn ich die Schilder auf Demos sehe ,, nie wieder 1933,, frag3 ich mich ob die Leute wissen was 1933 war ???!! . Da kam Hitler zwar an die Macht, aber warum ?? Deutschland war pleite, hohe Inflation, Massenarbeitslosigkeit, Hunger ( woran zig tausende gestorben sind ) Spaltung, hohe Kriminalität, Hoffnungslosigkeit. "

    Lieber Manuel, das ist so nicht ganz richtig. Die Verantwortlichen der Weimarer Republik hatten es sehr schwer. Dennoch haben sie, trotz aller Schwierigkeiten, den Turnaround geschafft. Dank auch Matthias Erzberger, der mit der bisher größten progressiven Steuerreform beitrug, er wurde von Rechtsterroristen erschossen, dass Geld in die Staatskasse kam.
    Das Genick, damals, haben uns mal wieder die US-Amerikaner gebrochen, mit dem Börsenzusammenbruch, ausgelöst durch zügellose Spekulanten kam die Weltwirtschaftskrise über die Welt. Denn, die Auftragsbücher deutscher Firmen waren zu der Zeit prall gefüllt. Dies und andere Dinge haben dazu geführt, dass die NSDAP an die Macht kam.
    Danach hat man die Spekulanten etwas eingeschränkt. Jedoch hat das dann B. Clinton wieder "harmonisiert" und 2008 kam die nächste Welle aus den USA.
    Ausgelöst ebenfalls durch gierige Spekulanten auf hohe Gewinne und damit auch hohe Boni.
  • denk ma selb nach, kannstde gugeln
    19.03.2024 09:25
    Alleine der Einstieg ist ein einziger Fehler - wobei ich von einer bedacht platzierten Lüge ausgehe. Nicht die neutrale Berichterstattung ist das Ziel, sondern die klare Trennung zwischen Information und Meinung. Für mich ist die Wortwahl und entscheidend. Danach suche ich nach Belegen für die Behauptungen des Textes. Wer zu viele emotional aufgeladene Wörter benutzt, will seine Lügen verstecken.

    Aus obigem Text: "gewissenlos", "Verdächtigen", "schmierenhafter" - nach dem ersten Absatz sollte man nicht weiterlesen. Belege gibt es keinen.
  • Steffen
    19.03.2024 09:19
    Toll auf den Punkt gebracht, wenn jetzt noch das Verbrechen um Julian Assange erwähnt wird (welches mitten in Europa begangen wird), bin ich völlig glücklich. Grüße aus der Hauptstadt
  • Manuel
    19.03.2024 05:51
    Ist absolut grausam was geschah seit Corona, seit Kriegsbeginn mit der Ukraine und jetzt auch noch mit Israel. Kriege wurden und werden immer von Politikern, Monopolisten, Lobbyisten und Medien geführt. Denn Blut, tot bringt Geld fürs aufrüsten. Der größte Teil ob links rechts oder neutral wollen kein Krieg, aber das bedeutet auch keine Lieferung. Die meisten die pro für Waffenlieferungen sind, sind die Menschen die niemals eine Waffe anfassen würden. Der Mensch lernt einfach nicht aus der Geschichte. Wenn ich die Schilder auf Demos sehe ,, nie wieder 1933,, frag3 ich mich ob die Leute wissen was 1933 war ???!! . Da kam Hitler zwar an die Macht, aber warum ?? Deutschland war pleite, hohe Inflation, Massenarbeitslosigkeit, Hunger ( woran zig tausende gestorben sind ) Spaltung, hohe Kriminalität, Hoffnungslosigkeit. Und was haben wir jetzt ?_ im Prinzip das gleiche . Wer kommt als nächstes in Deutschland an die Macht ??? Laßt uns Mensch sein und für eine Gemeinsame Zukunft kämpfen wo Menschen von ihrer Arbeit gut leben können, Rentner bis zu einem guten Satz Steuer befreit sind, gutes Bildungssystem für unsere nächste Generation , vernünftiges krankensystem und wo Politiker wieder demokratisch sind und nicht von oben herab bestimmen. In diesen Sinne
  • Eva von Ehrenstein
    18.03.2024 21:51
    Die Medien und auch Politiker machen einen Fehler, 24 Stunden Ukraine und Gahza ist zu viel. Man hört nicht mehr hin.
  • Kay
    18.03.2024 20:41
    Sehr gut beschrieben, dass es eigentlich keine journalistischen Artikel mehr gibt, sondern ehr nicht gekennzeichnete Kommentare, die im Wording schon eine Meinung mit einbinden. Es sollte reguliert werden, so dass solche "Berichte" klar als Kommentar gekennzeichnet werden wie es auch bei Werbung der Fall ist...
    Auch irreführende Headlines, nur um irgendwelche Abos zu verkaufen, da man solche Artikel sonst nicht lesen kann, sind grenzwertig am Betrug, da im Artikel dann nicht das steht, was man sich unter dem Titel im Kopf ausgemalt hat.
    Die Presse sollte ganz klar der Freiheit unterliegen, jedoch sollte es Regularien geben, die meinungsbildende Formulierungen verbietet oder für solche Artikel zumindest eine klare Kennzeichnungspflicht einführen.
  • Wehrsen
    18.03.2024 20:31
    Sehr treffend analysiert.Ich bin mit dem, was ich glauben kann sehr vorsichtig geworden.Infos aus verschiedensten Quellen,und dann nach dem "Gefühl",was stimmig erscheint.Wichtig ist auch die Frage:wem nützt das ?
  • Juergen Ihlau
    18.03.2024 17:24
    Ich stimme dem voll und ganz zu und teile seit geraumer Zeit Ihre Bedenken. Sie erwähnen, dass die Auswirkungen dieses Trends nicht abzusehen seien? Leider ist dem nicht so. Ein Blick gen Westen, in die USA, verdeutlicht das. Dort herrscht weder Differenziertheit noch geht es um Fakten; es dreht sich ausschließlich um Personen und wer etwas sagt, anstatt um das, was gesagt wird.

    Vor einiger Zeit habe ich einen Kommentar an welt.de zu diesem Thema gesendet, leider ohne Rückmeldung. Es passt sehr gut zum dem Thema:

    Aus meiner Sicht ergibt sich eine Problemstellung, die auffällig ist und deren Umkehrung wesentlich schwieriger ist:

    Im Grunde genommen ist das, was wir erlebt haben und nun erneut erleben, eine Folge der veränderten Medienlandschaft und der Abhängigkeit von diesen, insbesondere der Politiker.

    Denn es spielt keine Rolle mehr, ob man politische Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, Waffenlieferungen in ein Europa-nahes Kriegsgebiet, das israelische Vorgehen im Gazastreifen oder die Politik der Grünen kritisiert, und zwar differenziert. Es ist nicht mehr erlaubt.

    - Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung mögen wichtig sein, doch müssen die Auswirkungen und Folgen dieser Maßnahmen berücksichtigt werden.
    - Man kann für den "Klimaschutz" sein und dennoch die Maßnahmen der Regierung kritisieren.
    - Das Massaker auf israelischem Boden war in diesem Kontext beispiellos grausam. Rechtfertigt dies jedoch eine komplette Zerstörung des Gazastreifens durch Israel?
    - Man kann Putin kritisch sehen und dennoch gegen Waffenlieferungen und die Verlängerung oder Ausweitung des Krieges sein.

    Aber das wird nicht akzeptiert. Differenziertes Denken ist der Schlüssel dazu.

    Differenziertes Denken bildet das Fundament für Unterscheidungsfähigkeit und die Fähigkeit zur kritischen Analyse. Sokrates, Plato und Aristoteles sind drei der bekanntesten Philosophen der griechischen Antike, die diesen Ansatz betonten.

    Plato, ein Schüler von Sokrates, entwickelte die Idee des differenzierten Denkens in seinen Dialogen weiter. Er argumentierte für die Notwendigkeit von Ideen und Formen als grundlegende Realitäten hinter der sichtbaren Welt und forderte die Menschen auf, über bloße Erscheinungen hinauszudenken.

    Warum ist differenziertes Denken für eine Gesellschaft wichtig?

    1. Problemlösung: Differenziertes Denken ermöglicht es Individuen und Gesellschaften, komplexe Probleme zu analysieren, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und fundierte Entscheidungen zu treffen.
    2. Fortschritt: Durch differenziertes Denken können neue Ideen entstehen und Innovationen gefördert werden, was zum Fortschritt in verschiedenen Bereichen führt, sei es in Wissenschaft, Technologie, Kunst oder sogar Politik.
    3. Toleranz und Verständnis: Differenziertes Denken hilft dabei, Vorurteile abzubauen und ein tieferes Verständnis für die Vielfalt der Welt und der Menschen zu entwickeln. Dies fördert Toleranz und den sozialen Zusammenhalt.
    4. Kritisches Denken: Eine Gesellschaft, die differenziertes Denken fördert, ermutigt Bürgerinnen und Bürger dazu, kritisch zu denken und nicht einfach blind Autoritäten zu folgen. Dies stärkt die Demokratie und schafft eine informierte Bürgerschaft.

    Insgesamt kann differenziertes Denken dazu beitragen, eine dynamische und progressive Gesellschaft zu schaffen, die offen ist für Veränderungen, Innovationen und das Wohlergehen all ihrer Mitglieder.

    Wie sieht der "Status quo" für mich aus?

    Online-Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Meinungsbildung in unserer Gesellschaft. Unsere Meinungsbildung, die früher stark von unserem direkten Umfeld beeinflusst wurde, hat sich ins Internet verlagert.

    Online-Medien konkurrieren um Klicks, daher müssen Nachrichten übertrieben und sensationalisiert werden. Die Menschen werden bei diesem Informationsüberfluss abgestumpft, daher müssen die Schlagzeilen immer extremer werden. Dies zeigt sich auch deutlich an den Wetterinformationsseiten: Aus einer einfachen Wetterwarnung wird eine Schneekatastrophe, aus einem Sturmtief wird eine apokalyptische Sturmfront.

    Wie viele Menschen sind in der Lage, differenziert zu denken, und das bis zum Ende durchzuziehen? Wenn man bedenkt, dass "Das Dschungelcamp" die erfolgreichste deutsche TV-Produktion ist, bekomme ich nicht nur nachts ein mulmiges Gefühl.

    Damit beginnt der Teufelskreis:

    Was tut ein Politiker, der seinen Finger am Puls der Zeit haben möchte, um seinen Job zu behalten? Er schaut sich die Online-Medien an und beobachtet die Reaktionen der Menschen (Umfragen) darauf.
    Der durchschnittliche RTL2-konsumierende Bundesbürger hat wenig Interesse an Differenzierung und konsumiert den klickbasierten Mainstream wie frisches Brot. Die Umfrageergebnisse beruhen somit auf der Mehrheit der unkritischen Medienkonsumenten.
    Die Politiker richten sich nach diesen Umfragewerten, anstatt ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

    Ein zynisches Fazit wäre:

    Die Herrschaft der Dummen ist angebrochen.

    Frau Dr. Angela Merkel hat dieses Vorgehen praktiziert. Egal, ob es Fukushima oder der Crash der Banken-Zocker war: Sie wartete erst einmal ein paar Tage ab, um zu sehen, was die Massen dachten, und trat dann vor die Kameras. Und zweimal hat sie aufgrund ihrer politischen Kalkulation schwerwiegende Fehler begangen:

    1. Sie verurteilte die Atomkraft und setzte ihr Ende per Dekret fest, undifferenziert nach Fukushima.
    2. Sie rettete die Bankenzocker und sendete damit ein völlig falsches Signal.

    In diesem Dilemma stecken wir nun fest und müssen nur gen Westen blicken, um zu sehen, wohin die gesellschaftspolitische Reise führt: in die USA.
  • Thomas Augst
    18.03.2024 17:16
    Lieber Serdar Somuncu,
    erst einmal sehr gut geschrieben.
    Nachrichten werden von Mediengesellschaften verbreitet, die als Unternehmensziel das Erzielen eines Gewinns haben.
    Wenn die Wahrheit nicht genügend Auflage oder heute Klicks bringen, dann muss sie „passend“ gemacht werden.
    Der Tonfall ist oft mit einer Panikmache verbunden, so dass wir uns nicht wundern müssen, dass es immer mehr Wahlverdruss und Wahlen im extremen Spektrum gibt.
    Diese Panikmache wird dann auch gerne von der Verschwörungsgemeinde und dem extremen Spektrum dankend aufgenommen.
    Es muss juristische Konsequenzen geben, wenn man desinformiert oder verleumdet. Drakonische Strafen, die finanziell wehtun und den Medium schaden, wären sicherlich da ein probates Mittel.
  • 18.03.2024 15:12
    Sehr guter Text! Das Pejorativum ist das dominierende Stilmittel der Presse geworden. Abschreiben war schon immer, nimmt aber seit gefühlt zehn Jahren zu. Das zeigen auch Newsseiten wie newstral; eine gute Seite für den schnellen Überblick über die täglichen Pressemeldungen. Eine bedenkliche Entwicklung...
  • Mr.T
    18.03.2024 11:43
    Sehr gut beobachtet und leider vollkommen wahr. Es bleibt einem selbst nur die Möglichkeit bewusst unterschiedliche Quellen zum finden der vermeintlichen Wahrheit zu nutzen. Dies nimmt immer mehr Zeit in Anspruch und auch die Arbeit, die Quellen selbst regelmäßig zu beobachten und zu hinterfragen. Somit versiegt teilweise das Interesse an relevanten Informationen, denn wer hat schon Zeit und Muße ständig alles zu hinterfragen.
    Über die Qualität dessen was heute, auch auf großen Plattformen, als Journalismus verkauft wird brauchen wir auch nicht mehr zu diskutieren. Es werden 3 X-User nach eigenem Gusto zitiert und damit Menschen, Kunst, whatever diffamiert und die Leser gehen nicht einmal auf den X Tweet um festzustellen, das die 3 zitierten User eine andere Meinung vertreten, als hunderte andere User. Sad new world.
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The same faces always follow me on the streets of Berlin: Marie-Agnes Strack-Zimmermann in the Christian Lindner memorial black and white; Sahra Wagenknecht, who has only mastered a single facial expression in photos for fifteen years and is not running at all in the European elections; or Katharina Barley, who is apparently so unknown as the top candidate for the European elections that Olaf Scholz is standing by her side on the posters, so that the passing mob at least develops a rough idea of what this mysterious Ms. Barley is all about.

However, it's also exciting who doesn't advertise with the faces of their candidates: the CDU knows full well that it can't win much ground with the likeness of Ursula von der Leyen. The Christian Democrats are focusing on their core competence: airy casings that somehow sound delicious, the potato soup among the slogans, consisting of empty carbohydrates and still warm. "For a Germany in which we live well and happily" was the motto of the 2017 federal election. Today: "For a Europe that protects and benefits." Sexy.

First and foremost, we are dealing with great theater. The Germany in which we live so well and happily believes that its population has very little influence over their own interests. We are free to change staff every four years, although the overall shifts are rather manageable in most cases due to the five percent hurdle - much more than that is up for debate. Once they have made themselves comfortable in their seats, the politicians primarily do what they want. If they do nonsense, you have to wait until the next election to be able to sanction them for it. The population is only allowed to participate in the debate on Twitter or TikTok.

There are no means of driving out a politician who throws his principles and election promises overboard in a very short space of time - otherwise the Green faction in the Bundestag would be significantly smaller today. In addition, there is the planned electoral law reform to reduce the size of the Bundestag, which, however, primarily targets direct mandates from smaller parties. Here alone one could speak of a gross break with the will of the voters, after all, the common voter is not just there to shift percentages, but to make his or her voice heard.

The structures at the European level in particular are almost absurdly opaque. At five-year intervals, citizens are counted to cast a vote primarily in favor of leaving them alone for the next five years. There is a good tradition of deporting failed or simply annoying former federal politicians to Brussels in order to keep them busy there with twice the workload of meeting weeks and thus practically silence the local discourse. Meanwhile, the future of all of us is being decided in Europe - and we know next to nothing about it! Via text message, Ursula von der Leyen is costing taxpaying EU citizens billions and billions of euros for a vaccine that over time turned out to be significantly less effective than was initially assumed. A single company benefited greatly from the biggest crisis since the Second World War.

One hears again and again that the legislative periods, especially at the federal level, are too short to actually change anything. We should only elect the German Bundestag every five or even six years to give the poor politicians the time to implement their plans in peace. The logical error here is obvious: governments are completely free at any time to make future-oriented decisions, the benefits of which will only become apparent long after the current legislative period - but they consciously decide against it in order to promote populist fast food based on surveys. to pursue politics that are intended to maintain one's own power.

It is better to push the unpleasant things into the next legislature. After all, you want to decorate yourself with immediate, small successes. However, why this should be a problem for voters is completely unclear. Shouldn't we expect more from our elected representatives to get off their high horse and commit themselves to the German people instead of just keeping their own chair warm? Is it the voter's fault if Lauterbach pulls off a patchwork bureaucratic monster of cannabis legalization in order to be celebrated as a pioneer?

In his well-read pamphlet "Screw Selflove, Give Me Class War," the author Jean-Philippe Kindler describes our democracy as "capitalism with elections." So while the personnel changes, politicians, as soon as they get into positions of power, despite all the loud promises of unshakable ideals, end up serving the corporations. This is rarely as obvious as when the FDP leads the finance ministry. The AfD, which sells itself as social, also repeatedly talks about not wanting to tax wealthy people or companies more heavily under any circumstances. Commitment to the needs of the much-discussed (and rarely actually addressed) "little man" on the ass. In view of the draft law on the Promotion of Democracy Act, which, depending on its interpretation, can also be misused to stifle criticism of the government by citing a threat to the state. Imagine if such a law were in force under an AfD-led government.

Anyone who walks through the streets in Berlin is stared at by posters with slogans such as "Give Prosperity a Voice" (CDU), "Against Hatred and Incitement" or "For Moderation, Center and Peace" (both SPD) - absolutely meaningless turnip stew formulations - or: "Education: first line of defense of democracy." Of course a poster from the FDP, whose top candidate Marie-Agnes Strack-Zimmermann cannot deviate from the war rhetoric even when it comes to educating people to become politically informed, responsible citizens . But it is of course welcome that the FDP wants to work for better education, because things are extremely bad in Germany. There are even said to be well-known female politicians in government parties whose reading skills are apparently so limited that they consider Mother Courage to be a positive identification figure.

As I said, it is true that most governments achieve little that will change the world in the four years they are given. However, that doesn't mean you shouldn't try. Unfortunately, we are observing a completely discouraged government that is not providing any answers to pressing questions about the future. In a rule by the people, we would actually be counted on to assert our civic duty beyond the ballot box to vote on individuals. We have the instrument of the referendum for this purpose. But anyone who walks across the streets in Berlin and observes election posters cannot help but remember the last referendums here in this city:

On May 25, 2014, a referendum was held on the development of Tempelhofer Feld. The development of the popular park planned by the Senate should be prevented by the plebiscite. A majority voted for the referendum and thus for the preservation of Tempelhofer Feld as a local recreation area and historical site. There were last headlines about the planned development of Tempelhofer Feld in autumn 2023, so the referendum is up for discussion.

The referendum on the expropriation of the real estate group Deutsche Wohnen took place during the 2021 federal election. The aim was to break the dominance of corporations like Deutsche Wohnen in order to prevent rents from skyrocketing and to maintain Berlin as a reasonably affordable place to live. As a basic service, apartments should be rented out by the city at controlled prices so that there is no Darwinian struggle for the scarce living space. The referendum received widespread support from the electorate. It has not yet been implemented and is no longer even discussed.

The last Berlin plebiscite was "Berlin 2030 climate neutral". The aim was to formulate a law that would oblige Berlin to comply with certain emission saving measures. The initiators must also have been very aware that the feasibility was only moderately good; the idea was certainly not least to be able to hold the city accountable for past failures. But none of that matters, because the referendum was actively sabotaged by the city of Berlin by not holding it parallel to the repeat election in February 2023, but more than a month later, even though it would have been possible to hold it in February.

The reason that referendums are often combined with elections is that they can increase participation. The only time the German Michel tends not to go to his polling station is for a referendum. If the plebiscite is added when an election is coming up anyway, it will have a huge impact on the number of participants. Scheduling the referendum on the climate law for Berlin on a separate date inevitably meant that the necessary quota was not reached. Here the population was partially denied the opportunity to make their own voice audible in a simple and low-threshold manner.

When Hubert Aiwanger said that the people should "take back democracy," it was treated like a despicable threatening gesture given his unjustifiable missteps in his previous life. But we need to think seriously about the state of a democracy in which we give power to people who can then act with impunity against the will of the voters and even ignore it when it is officially stated. The idea of representative democracy is noble and shows a belief in the good in people, but does not take into account the corruptibility of politicians, which always has to be taken into account in capitalism. When Julia Klöckner, then Minister of Food, praises Nestlé, it should be clear to every responsible citizen that something is wrong here. Whose interests should be represented here?

It is only worth arguing about longer terms of office if at the same time it enables greater participation of the population in other democratic processes. Imagine if we were now tied to the traffic lights for a total of six years instead of four and were practically at its mercy for the entire period when it comes to potentially existential debates such as arms deliveries or military conscription. Stability in a democracy can only exist if the population actually trusts the government and can intervene when that trust wanes. When politicians no longer just use easily digestible phrases and populist theses for election campaign purposes, only to be unable to be warned to comply once they are elected. When corporations, lobby associations and shady interest groups are disempowered. If this succeeds, a government no longer has to be so afraid of the Internet that it would need a law to promote democracy.

05/06/24
*Bent-Erik Scholz works as a freelancer for RBB